Wannenbauer & Wohlfeldt über
»Bratwurst contra Spaghetti«

Argentinien wurde unter übermenschlichen Anstrengungen bezwungen. Nun stellt sich uns im Halbfinale der Italiener in den Weg. Hat das Land - historisch gesehen - eine Chance? Werden uns die Gewerkschaften zum Verhängnis?


Dr. Wohlfeldt:
Nun haben wir es also geschafft und stehen im Halbfinale. Ein kleiner Schritt für Deutschland, aber ein großer Schritt für Jürgen Klinsmann!

Wannenbauer:
Man ist natürlich froh, wenn wenigstens ein Job durch die WM gesichert wird. Allerdings ist das ein egoistischer Gedanke: Im Ausland verursacht das Ereignis Massenentlassungen. Gerade lese ich in der Times von der Demission des dortigen Trainers, was in bester angloamerikanischer Manier regime change genannt wird. Wo kein Ball mehr rollt, da rollen Köpfe!

Dr. Wohlfeldt:
So weit ist es ja bei der kleinen Prügelei nach dem Spiel gegen Argentinien nicht gekommen. Jammerschade! Bei der Gelegenheit hätte sich Oliver Kahn endlich einmal nützlich machen können. Man stelle sich das vor, Kahn verbeißt sich im argentinischen Trainer! Die Zeitungen hätten Höchstpreise für so ein Bild bezahlt.

Wannenbauer:
Der Titan hat seinen Biss verloren. Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Die Italiener sollen ebenfalls heißblütige Südländer sein, eventuell zetteln auch sie nach ihrem Ausscheiden ein kleines Handgemenge an. Andererseits konnte man sich auf Italiener in dieser Hinsicht noch nie verlassen.

Dr. Wohlfeldt:
Sie meinen, Bratwurst schlägt Spaghetti? Meiner Meinung nach keine unrealistische Prognose. Auf dem Feld war Italien zuletzt vor etwa zweitausend Jahren eine Weltmacht, und selbst damals mussten sie sich nach einiger Zeit den Germanen geschlagen geben.

Wannenbauer:
Die Varusschlacht steckt ihnen noch in den Knochen. Und der römische Kaiser hat bald wieder Grund zur Klage: Totti, gib mir meine Millionen wieder! Man hat ganz offensichtlich versäumt, das Kolosseum rechtzeitig in eine Fußballarena umzuwandeln. Dabei waren sie doch sonst recht innovativ: Caligula hat seinerzeit ein Pferd zum Nationaltrainer ernannt. So etwas wäre unter Merkel undenkbar.

Dr. Wohlfeldt:
Unter Merkel ist generell nichts denkbar, aber lassen wir das. Ich bin gespannt, ob das nächste Spiel fairer wird als die Partie gegen Argentinien. Das Problem wird wohl wie immer der Schiedsrichter sein. Dass in einem Fußballspiel aber auch ausgerechnet eine Pfeife für Ordnung sorgen muss!

Wannenbauer:
Ich halte das für angemessen. Ein Knackpunkt ist nun allerdings die Korruption. Deutschland und Italien sind im Fußball ja bekannt dafür, als Schiedsrichter wird man inzwischen entsprechende Erwartungen haben. Ich hoffe also, dass der DFB die höheren Bestechungsgelder überwiesen hat. Immerhin hat der Deutsche Fußballbund mehr zahlende Mitglieder als ganz Italien Einwohner, das kann man in entscheidenden Momenten durchaus mal nutzen.

Dr. Wohlfeldt:
Sie wollen Italien in Bestechungsfragen übertreffen? Mein lieber Wannenbauer, wir haben zwar die CDU, aber Italien hat die Cosa Nostra! Das ist nicht nur eine andere Liga, das ist eine ganz andere Sportart. Nein, nein, uns wird nichts anderes übrig bleiben, als Italien auf dem Feld zu schlagen. Hoffen wir, dass Mertesacker in bestechender Form ist, vielleicht hilft ja wenigstens das.

Wannenbauer:
Für Italiener ist natürlich alles eine Frage der Form, jedoch keine der körperlichen. Machen Sie sich da mal keine übertriebenen Sorgen. Interessanter finde ich die Frage, ob es unser altgedienter Sparringpartner Frankreich ins Finale schafft. Mit Portugal haben sie praktisch die romanische Version der Holländer am Hals!

Dr. Wohlfeldt:
Sorgen sind niemals übertrieben, vor allem nicht in Deutschland. Ob wir nun Frankreich oder Portugal schlagen, interessiert mich nicht im Geringsten - über die Europäische Union müssen am Ende doch sowieso wir für die Kosten aufkommen. Mertesacker ist für mich übrigens eine der großen Überraschungen dieses Turniers. Und das, obwohl er aus Hannover kommt!

Wannenbauer:
Ich sehe, Sie haben den neuen Offensivstil unserer Mannschaft verinnerlicht. Mich beeindruckt aber beides kaum. Schauen Sie, Überraschungen aus München oder Berlin haben seit Jahrzehnten nichts Überraschendes mehr an sich. Nur die Provinz ist dazu noch in der Lage. Und Hannover hat bei uns die Rolle des Mittleren Westens in Hollywood-Filmen, wo so wenig passiert, dass alles möglich ist: Kornkreise, Keksfabrikbesetzungen, eine Weltausstellung - und jetzt offenbar Mertesacker. Verzeihen Sie die Frage, aber was macht der Mann überhaupt?

Dr. Wohlfeldt:
Mertesacker spielt in unserer Elf die deutscheste aller Rollen: Er ist der große Verhinderer, die Bremse der Nation. Man könnte seine Position vielleicht also auch mit Michael Sommer oder Jürgen Peters besetzen. Überhaupt erinnern mich Profifußballer immer an Gewerkschaftsführer. Wenn sie den Mund aufmachen, kommt nur Unverständliches heraus, und trotzdem hört die ganze Nation gebannt zu. Und dafür werden sie auch noch fürstlich bezahlt.

Wannenbauer:
Stellen Sie sich das vor: Klinsmann wechselt im entscheidenden Moment Frau Engelen-Kefer ein! Nach wenigen Minuten sehen elf Italiener rot, und wir erringen einen historischen Sieg!

Dr. Wohlfeldt:
Alle Bälle ruhen still, wenn ihr starker Fuß es will! Spätestens bis zum Finale hätte sie die Spieler zu einem Streik überredet. Aber mit welchem Ziel?

Wannenbauer:
Vermutlich würde sie die 35-Minuten-Halbzeit fordern.

Dr. Wohlfeldt:
Na, das klingt doch schon ganz italienisch. Da fehlt nur noch eins.

Wannenbauer:
Die Frühstückspause zwischen der 10. und der 15. Minute, bei vollem Lohnausgleich!

Dr. Wohlfeldt:
Fantastico! Darauf einen Prosecco.


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