Wannenbauer & Wohlfeldt
im Gespräch mit Günter Ketzer

Das Viertelfinale ist in trockenen Tüchern. Zeit für uns, um mit Deutschlands gefragtestem Fußballkommentator über Hintergrund und Beteiligte der Rundlederwelt zu sprechen.


Wannenbauer:
Herr Ketzer, Sie gelten als einer der wichtigsten Fußballexperten Deutschlands. Wir haben uns in der Vorbereitung auf dieses Gespräch noch einmal einige Ihrer Fernsehkommentare angesehen und fragen uns: warum eigentlich?

Günter Ketzer:
Nun, ich bin stets erstklassig gekleidet und spreche fließend Deutsch. Ich nehme also an, daß die Fernsehleute mit mir einen Kontrapunkt zu den Spielern setzen wollen.

Dr. Wohlfeldt:
Um Kompetenz geht es nicht?

Ketzer:
Mit Kompetenz bringen Sie es im deutschen Fußball nicht weit, weder auf dem Platz noch vor der Kamera. Der Ball muss ins Tor, so einfach ist das. Und das gilt auch für den Kommentator. Wissen Sie, mit Dribblings bringen Sie das Ding nur selten in den Kasten, auch nicht im Interview. Zack - Bumm - Bäm! Das ist auch für uns Kommentatoren das oberste Gebot.

Wannenbauer:
Hochinteressant! Der Kaiser hat allerdings einmal gesagt ...

»Kriegt seinen Mund gar nicht mehr zu, sobald die Kameras eingeschaltet sind!«

Ketzer:
Einmal? Zehnmal, hundertmal hat er das gesagt! Der kriegt ja seinen Mund gar nicht mehr zu, sobald die Kameras eingeschaltet sind.

Dr. Wohlfeldt:
Und trotzdem finden manche ...

Ketzer:
Hören Sie mir bitte mit denen auf!

Wannenbauer:
Und als Rudi Völler nach Ihrer Kritik ...

Ketzer:
Wer?

Dr. Wohlfeldt:
Herr Ketzer, zu Ihrer aktiven Zeit galten Sie als einer der besten Mittelfeldspieler. Ist Ihnen die Umstellung auf das journalistische Mittelfeld schwer gefallen?

Ketzer:
Die deutschen Tugenden im Journalismus sind andere - man kämpft nicht, bis die anderen umfallen, sondern kritisiert sie entsprechend. Es ist also durchaus ein Unterschied, ob man mit einer unfähigen Mannschaft zusammenspielen oder ihr dabei zusehen muss. Das Ohnmachtsgefühl ist jedoch ähnlich. Mir war dabei immer wichtig, Werte zu haben, die mir Halt geben und auf die ich mich im Zweifel verlassen kann.

Wannenbauer:
Ihre Frisur!

Ketzer:
Sie sagen es. Im Fußball geht es darum, viel Geld zu verdienen und Erfolg bei Frauen zu haben, inzwischen selbst beim Frauenfußball. Mein Scheitel ist da ein zeitloses Alleinstellungsmerkmal, gegen das die restliche Fußballwelt verblasst. Schauen Sie sich Ronaldos hässliche Halbglatze bei der letzten WM an. Oder Schweinsteigers missglückten Irokesenschnitt!

Dr. Wohlfeldt:
David Beckham gilt allerdings ebenfalls als Stilikone.

Ketzer:
Vielleicht bei Fußballfans, das zählt nicht, und höchstens trotz, nicht wegen seiner ständig wechselnden Frisuren. Diese Beliebigkeit ist im übrigen nicht untypisch für das heutige England. Man kann dort inzwischen ab und zu sogar gut essen.

Wannenbauer:
Herr Ketzer, unsere Jungs müssen nun gegen Argentinien ran. Ihre Prognose?

Ketzer:
2:0. Ob für Deutschland oder für Argentinien, wird sich herausstellen.

Dr. Wohlfeldt:
Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie mit absoluter Sicherheit einen Sieg einer der beiden beteiligten Mannschaften voraus. Zu den allgemein akzeptierten Wahrheiten in diesem Sport gehört jedoch die Feststellung, dass im Fußball alles möglich sei. Ein Widerspruch?

Ketzer:
Ich würde es so formulieren: Widersprüche gehören zum Fußball wie die Henne zum Ei. Man weiß nicht, was zuerst da war.

Wannenbauer:
Heidegger meinte dazu einmal, das Runde bedinge das Eckige.

Ketzer:
Grundsätzlich nicht falsch, aber zu kompliziert. Ich halte es eher mit Immanuel Kants kategorischem Fußball-Imperativ: Das Ding an sich muss rein.

Fußball-Imperativ von Immanuel Kant: »Das Ding an sich muss rein.«

Dr. Wohlfeldt:
Sie bevorzugen einen auffallend schnörkellosen Stil.

Ketzer:
Im Fußball ist Stil keine Frage des Stils, das ist das ganze Geheimnis. Haben Sie die Achtelfinalspiele von England und Holland gesehen? Dann wissen Sie, was ich meine.

Wannenbauer:
Die Engländer kamen mir auf dem Platz reichlich spanisch vor, haben das Spiel aber typisch deutsch beendet. Die Holländer hingegen haben gekämpft wie Engländer und verloren wie Franzosen.

Ketzer:
Sehen Sie? Das ist Fußball.

Dr. Wohlfeldt:
Jedenfalls war es nicht Eishockey. Das hat man bei genauerem Hinschauen eindeutig feststellen können, trotz der vielen gelben Karten.

Ketzer:
Es liegt mir fern, die Holländer herabzuwürdigen, aber ihre Spielweise hier bei der Weltmeisterschaft war oft nur Käse. Welche Mannschaft hat schon Bammel vor Bommel?

Wannenbauer:
Lassen Sie uns zum Schluss noch auf ein anderes Thema kommen. Seit Mai 2004 sind Sie Träger des FIFA-Verdienstordens. Wofür haben Sie die Auszeichnung erhalten?

Ketzer:
Sie ahnen gar nicht, wieviel Geld ich mit dem Fußball in den letzten 30 Jahren verdient habe. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die FIFA diese Leistung anerkennen würde.

Wannenbauer:
Verraten Sie unseren Lesern, wieviel Sie von uns für dieses Gespräch bekommen?

Ketzer:
Nein.

Dr. Wohlfeldt:
Herr Ketzer, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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