Wannenbauer & Wohlfeldt über
»Schwedenkriege und die Industrie- und Fußballkammer«

Deutschland trifft offenbar im Achtelfinale auf Schweden. Herzlich willkommen zum zweiten Gespräch unserer Experten.


Dr. Wohlfeldt:
Mir war schon vor Spielbeginn klar, dass die deutsche Mannschaft gewinnen würde. Ich weiß so wenig über Fußball, dass ich mit meinen Prognosen in den allermeisten Fällen richtig liege. Selbst das Endergebnis des WM-Endspiels von 1974 habe ich korrekt vorhergesagt, allerdings erst nachträglich.

Wannenbauer:
Der Kaiser hat einmal festgestellt, dass es nur eine Möglichkeit gäbe: Sieg, Niederlage oder Unentschieden. Ich gebe zu, der Mann hat recht! Die Partie konnte ich allerdings nicht verfolgen. Vor allen Bildschirmen wurden bunte Fahnen geschwenkt und laute Parolen gerufen. Es soll aber - für ein Fußballspiel - sehr schön gewesen sein.

Dr. Wohlfeldt:
Fußballspiele sind immer schön, vor allem nach dem Abpfiff! Wenn Spieler und Möchtegernjournalisten miteinander reden, offenbart sich der kindliche Charakter unserer Zeit. Gestern hat sich ja Klose mächtig über seine beiden Treffer gefreut. Es ist doch wunderbar, wenn man erwachsene Menschen mit einfachen Dingen glücklich machen kann!

Wannenbauer:
Ich bitte Sie, Fußballfans sind keine erwachsenen Menschen. Man kann sie ausschließlich mit einfachen Dingen glücklich machen. Gerade WM-Begegnungen sind da so eine Art Überraschungsei - es gibt ein Spiel, neunzig Minuten Spannung, und zum Naschen Bier und Kartoffelchips. Aber auch die Zeit vor den WM-Spielen ist für Fans spannend. Wie ich höre, muss unsere Truppe nun gegen Schweden antreten. Die älteren Leser werden sich vielleicht noch erinnern: Schweden war schon im dreißigjährigen Krieg unser Angstgegner.

Dr. Wohlfeldt:
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg! Damals mussten die Schweden ihre Mannschaft allerdings alle drei Tage komplett auswechseln, das wird ihnen diesmal wohl erspart bleiben. Dennoch rechne ich mit einem harten Spiel für beide Seiten. Vielleicht gibt es ja auch endlich einmal eine Rote Karte? Wenn Sie mich fragen: Philipp Lahm hätte sie schon für seine Frisur längst verdient. Aber man will bei der FIFA ja nicht auf mich hören.

Wannenbauer:
Was haben Sie gegen Lahm? Der Mann gefällt mir außerordentlich gut. Wenn alle Spieler so sprechende Namen hätten, dann würde Fußball vielleicht auch für akademisch vorbelastetes Publikum interessant. Oder sehen Sie darin eine Gefahr?

Dr. Wohlfeldt:
Nur, wenn sich das Akademikerpack auch unter die Spieler mischen würde. Stellen Sie sich unter solchen Umständen nur einmal Fußballreportagen vor: »Aus dem Hintergrund müßte Professor Rahn schießen ... Professor Rahn schießt. Tooor! Tooor!« Nein, nein, so geht es nicht. Die Wissenschaftler sollen bleiben, wo sie hingehören, nämlich ins Labor. Außerdem würden sie auf dem Platz ewig darüber diskutieren, ob der Elfmeterpunkt nun exakt elf Meter oder nicht vielleicht elf Meter und zwei Millimeter vom Tor entfernt ist.

Wannenbauer:
Musils Mann ohne Eigenschaften verlor seinen Glauben an den Sinn der Wissenschaft, als die Zeitungen anfingen, Rennpferde als genial zu bezeichnen. Heutzutage ist das sogar bei Fußballspielern üblich, und manche erhalten tatsächlich akademische Ehrentitel für ihre Tretkunst. Elfmeter sind zwar immer Millimeterarbeit, damit aber klassisches Handwerk, wenn nicht sogar Fußwerk. Ich plädiere darum für die Einführung von Ballgesellen- und Weltmeisterbriefen.

Dr. Wohlfeldt:
Fantastisch - wer Deutscher Meister werden wollte, müsste der Industrie- und Fußballkammer beitreten! In kürzester Zeit hätten wir dann dieselben Phänomene wie im Handwerk. Spielzüge würden nicht bis zum Ende der Partie fertig, die Tore fielen mit großer Verspätung, Fußball würde für uns alle noch teurer. Ein Vorteil aber wäre, dass Fußballer ein Lehrberuf wäre. So würden wir die jungen Leuten von der Straße auf den Fußballplatz holen.

Wannenbauer:
Der einzige Nachteil wäre die weitere Verfußballung unserer Umwelt. Ich habe mich in meiner Umgebung einmal umgeschaut. Die Bäcker bieten Weltmeisterbrötchen an, die Verkehrsbetriebe sind am Ball, an Mülleimern steht »Einwurf!«, Finanzdienstleister sind »gut aufgestellt« - das war alles zu erwarten. Aber inzwischen sehe ich Fußballwerbung überall - in Arbeitsbekleidungsgeschäften, Sanitätshäusern, Apotheken, einem Ahnenforschungsinstitut (»Steckt ein Kaiser in dir?«) und sogar in einem Feuerbestattungsunternehmen (»Hol dir den Pokal!«). Wo soll das enden?

Dr. Wohlfeldt:
Vermutlich mit dem Abpfiff, hoffentlich aber nicht in der Pathologie. Allerdings gibt es auch dort manchmal eine Nachspielzeit. Spätestens mit dem Goldenen Schuss, pardon, Golden Goal ist dann aber wirklich alles zu Ende. Ich stelle übrigens mit Erschrecken fest, dass uns die Weltmeisterschaft alle zu nutzlosen Zynikern macht. Die einzige Ausnahme dürfte Klinsmann sein. Er ist so schwäbisch, dass ihm einfach das Zeug zum Taugenichts fehlt.

Wannenbauer:
Und Klinsi hat recht. Ohne ihn hätten die Nörgler eine WM-Folgenabschätzungskommission ins Leben gerufen, und das Bundesamt für Rasensicherheit würde jedes Jahr einen Fußballschadensbericht veröffentlichen. Nein, schwäbischer Optimismus ist heute Bürgerpflicht. Schwarzmalerei hat keine Zukunft - jedenfalls nicht bis zum Viertelfinale.

Dr. Wohlfeldt:
Den Schwaben wäre wohl ein Viertele-Finale lieber.

Wannenbauer:
Der Schwabe ist eben ein Schoppenhauer. Zum Wohl!


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